Haarausfall – Ein Überblick zu den Hintergründen

Wer nach dem Haarewaschen einige Haare in der Dusche entdeckt, muss sich nicht gleich sorgen. Einzelne Haare im Waschbecken, auf dem Kopfkissen oder der Bürste sind völlig normal. Unsere Haare fallen regelmäßig aus und werden in einem Prozess der kontinuierlichen Restauration durch neue ersetzt. Verlieren wir aber, über einen längeren Zeitraum von einigen Wochen, mehr Haare als gewöhnlich oder es entstehen einzelne haarlose Stellen, dann kann eventuell ein Problem vorliegen. Die Medizin definiert als Richtwert einen Ausfall von ca. 100 Haaren am Tag und spricht dann von Haarausfall (medizinisch: Effluvium) oder möglichen Symptomen einer Alopezie. Die Formen und Ursachen sind sehr unterschiedlich. Erschwerend kommt hinzu, dass zwischen einem auslösenden Ereignis und dem eigentlichen Haarausfall oft mehrere Wochen liegen können, was die den Befund häufig erschwert. Im Folgenden haben wir für Sie Informationen zu den drei häufigsten Diagnosen zusammengestellt.

Androgenetische Alopezie (erblich bedingter Haarausfall)

Diese Form der Alopezie tritt sowohl bei Männern als auch bei Frauen am häufigsten auf. Die Ursache liegt in der genetischen Veranlagung jedes Einzelnen, wie die Forschung mittlerweile zweifelsfrei weiß. Obwohl diese Form des Haarverlustes anlagebedingt ist, muss sie nicht zwangsläufig an die Nachkommen weitervererbt werden. Rauchen kann den Haarverlust beschleunigen. Die Strukturen (Follikel), die die Haarwurzel umgeben und dadurch das Haar in der Haut verankern, reagieren überempfindlich auf das männliche Hormon Dihydrotestosteron (DHT), welches sowohl bei Männern und Frauen durch ein Enzym aus dem männlichen Geschlechtshormon Testosteron gebildet wird. Durch die überempfindliche Reaktion auf DHT fallen Haare zunächst schneller aus. Die nachwachsenden Haare werden zunächst dünner, bis zuletzt nur dünnes Flaumhaar bleibt. Zuletzt verkümmern dann die Follikel und teilweise kann die Haarwurzel zugrunde gehen. Bei Männern macht sich der Verlust in Form von „Geheimratsecken“ oder dünnerem Haar am Tonsurbereich bemerkbar. Im Laufe der Zeit kann sich der Haarverlust zu einer Glatze an Stirn und Hinterkopf ausweiten bis nur noch ein Haarkranz übrigbleibt. Obwohl der durch Androgene (Oberbegriff für männliche Geschlechtshormone) verursachte Haarverlust verstärkt im Erwachsenenalter sichtbar wird, treten die ersten Anzeichen häufig schon bei Jugendlichen auf. Entgegen weit verbreitetem Irrglauben ist es übrigens normalerweise nicht der Fall, dass Männer mit Glatze überproportional viel Testosteron produzieren. Bei Frauen wirkt sich die androgenetische Alopezie, kurz AGA, ein wenig anders aus. Hier werden die Haare meist lediglich dünner und weniger - vor allem im Bereich des Mittelscheitels. Eine Glatze entwickeln Frauen üblicherweise nicht. Bei den betroffenen Frauen tritt androgenetische Alopezie hormonbedingt vor allem Wechseljahren auf. Deutlich häufiger als bei Männern, wird diese Alopezie bei den weiblichen Betroffenen von Kopfhautschmerzen (Trichodynie) begleitet.

Alopecia areata (kreisrunder Haarausfall)

Kreisrunder Haarausfall setzt in der Regel plötzlich ein und zeigt typische Symptome: An einer oder mehreren Stellen des Kopfes bilden sich innerhalb kurzer Zeit kreisrunde bis ovale nicht entzündete Stellen ohne Haare, die bis hin zur völligen Kahlheit führen können. Die genauen Ursachen für diese Form der Alopezie sind noch nicht vollkommen erforscht. Mediziner gehen bislang davon aus, dass diese Form des Haarausfalls vermutlich von einer Fehlreaktion des körpereigenen Immunsystems ausgelöst wird. Wahrscheinlich ist, dass die Reaktion dazu führt, dass sich die Abwehrzellen aufgrund der Fehlleitung gegen die Haare richten, statt Viren und Bakterien zu bekämpfen. Die hervorgerufenen Entzündungen am körpereigenem Haar haben zur Folge, dass dieses zunächst nicht mehr richtig wächst und dann sogar ausfällt. Alopecia areata ist die häufigste Haarausfallerkrankung. Sie tritt schubweise auf und kann bei Personen jeden Alters vorkommen, meistens jedoch machen sich die Symptome jedoch bereits bei Personen im zweiten oder dritten Lebensjahrzehnt bemerkbar. Da die Ursache für diese Form des Haarausfalls noch nicht gänzlich klar ist, kann auch nicht völlig ausgeschlossen werden, dass anstatt einer Autoimmunreaktion, womöglich doch eher Stress oder Vererbung verantwortlich sein oder diese Ursachen den Ausfall zumindest begünstigen können. Kreisrunder Haarausfall beginnt beim allergrößten Teil der Betroffenen im Kopfbereich, bei Männern zum Teil auch im Bartbereich. Er kann in Ausnahmefällen aber ebenso die Augenbrauen, Wimpern, die Achsel- und Schambehaarung betreffen. Therapieformen sollten, wie bei allen Haarausfallerkrankungen, vertrauensvoll mit dem Arzt abgestimmt werden. Zum Teil regeneriert sich das Haar nach einigen Monaten von selbst wieder, so dass überhaupt keine Therapie nötig ist. Es gibt allerdings auch eine Sonderform des kreisrunden Haarausfalls. Die Alopecia areata atrophicans tritt besonders bei Frauen zwischen 30 und 60 Jahren auf. Diese Sonderform, auch unter dem Namen Pseudopelade Brocq bekannt, beginnt schleichend mit kleinen haarlosen Flecken und geröteter Haut. Anders als bei manchen klassischen Formen des kreisrunden Haarausfalls, ist hier der Verlust des Haares fortschreitend und irreversibel. Erwähnenswert ist auch, dass diese Form der Alopezie erstmals von Hippokrates erwähnt wurde.

Diffuse Alopezie (symptomatischer Haarausfall)

Auch die diffuse Alopezie ist eine eher selten auftretende Form des Haarausfalls. Sie wird auch mit der Fachbezeichnung „telogenes Effluvium“ beschrieben. Im Gegensatz zum kreisrunden Haarausfall beschränkt sich der symptomatische Haarausfall nicht auf bestimmte Stellen des Kopfes, vielmehr geht das Haar am ganzen Kopf aus. Die Ursachen sind sehr vielfältig und reichen von Krankheiten, wie eine gestörte Funktion der Schilddrüse, eine falsche Ernährung, Stress oder psychischen Belastungen bis hin zu hormonellen Umstellungen und den Nebenwirkungen mancher Medikamente. Zum Beispiel die Behandlung im Rahmen einer Chemotherapie kann zur diffusen Alopezie führen. Auch der Wirkstoff Methylphenidat, der in der Behandlung von ADHS oder Narkolepsie eingesetzt wird, kann für Haarausfall verantwortlich sein. Muss sich ein Patient im Rahmen einer Krebserkrankung einer Strahlentherapie unterziehen, kann dies ebenfalls der Grund für einen Haarverlust sein. Insbesondere wenn die Kopfhaut im Strahlungsbereich lag. Im Bereich der ernährungsbedingten Ursachen kann zum Beispiel Eisenmangel den Haarverlust auslösen. Auch andere Nährstoffmängel, wie sie zum Bespiel durch extreme Diäten, Hungerkuren oder krankhafte Essstörungen wie Anorexie oder Bulimie verursacht werden, können der Grund für diese Form der Alopezie sein. Darüber hinaus können Anämie (Mangel an roten Blutkörperchen) und manche Geschlechts- oder Pilzerkrankungen Haarverlust hervorrufen. So vielfältig wie die Ursachen sind, so unterschiedlich kann auch der Verlauf dieser Form der Alopezie sein. Generell kann man jedoch sagen, dass sobald die zugrundeliegenden Ursachen gefunden und beseitigt wurden, die Haare in der Regel innerhalb von sechs Monaten wieder nachwachsen. Dass das Haar trotz erfolgreicher Diagnose und Behandlung meist erst mit einer Verzögerung von zwei bis drei Monaten nachwächst, hängt meist damit zusammen, dass sich ein Teil des Haares zum Zeitpunkt der Therapie bereits in der Ausfallphase, der sogenannten Telogenphase, befand. Statistisch betrachtet tritt der diffuse Haarausfall bei Frauen häufiger auf als bei Männern. Bei weiblichen Betroffenen übernehmen normalerweise die Krankenkassen die Kosten, falls diese den Haarverlust mit einer Perücke kaschieren möchten und der behandelnde Arzt diese verordnet. Bei Männern werden derzeit die Kosten für eine Perücke leider in der Regel recht selten übernommen.